Husten ist eines der häufigsten Probleme, mit denen mir Pferde in der Praxis vorgestellt werden. Die Ursachen sind dabei so vielfältig wie die Verläufe. Während ein Patient erst seit wenigen Tagen hustet und fiebert, hat man sich beim Anderen eigentlich schon daran gewöhnt, dass er beim Antraben immer erstmal abhustet. Für Pferdebesitzer ist es wichtig zu wissen, dass Husten immer Hinweis auf eine ernste Problematik sein kann und nie auf die leichte Schulter genommen werden sollte – auch nicht wenn er nur im staubigen Stall oder nur beim Reiten auftritt.

Um der Erkrankung hinter dem Husten auf die Spur zu kommen, ist eine sorgfältige Diagnostik erforderlich. Die gängige Praxis, hustenden Pferden erst monatelang Schleimlöser zu verabreichen ohne genauer hinzuschauen, ist nicht zielführend und verzögert oft eine notwendige Therapie. Dieser Artikel bietet einen Überblick über diagnostische Methoden und soll Pferdebesitzern helfen, frühzeitig die richtigen Schritte in die Wege zu leiten.

1. Anamnese

Wie bei fast jeder gesundheitlichen Problematik steht eine gründliche Anamnese an erster Stelle. Hierbei sammle ich Informationen über das Pferd, seine alltäglichen Lebensbedingungen sowie die Krankengeschichte. Ein aufmerksamer Besitzer, der die Symptome seines Pferdes genau beobachtet und gut beschreiben kann, ist hier Trumpf und kann das weitere Vorgehen erheblich erleichtern.

Typische Fragen im Anamnesegespräch sind zum Beispiel

  • Seit wann hustet das Pferd?
  • Ist der Husten akut aufgetreten oder entwickelt er sich schleichend?
  • Ist das aktuelle Hustengeschehen für dieses Pferd neu oder gibt es bereits eine Vorgeschichte mit Atemwegsproblemen?
  • In welchen Situationen tritt der Husten auf? In Ruhe oder in Bewegung? Im Freien oder im Stall? Nur beim Fressen oder unabhängig von Mahlzeiten? Jahreszeitlich unterschiedlich
  • Hat(te) das Pferd weitere Symptome wie Nasenausfluss, Fieber, Atemnot / Bauchatmung, Leistungsdepression oder Gewichtsverlust?
  • Wie sehen Haltung und Fütterung aus? Gab es Veränderungen?
  • Sind andere Pferde am Stall ebenfalls betroffen?
  • Wie ist der Impf- und Entwurmungsstatus der Pferdes?
  • Gab es bisher Therapieversuche – wenn ja mit welchem Ergebnis?

Eine sorgfältige Anamnese hilft, die Ursachen einzugrenzen und die weiteren Schritte zu planen.

2. Die klinische Untersuchung

Nun geht es an den Patienten. Wenn möglich versuche ich gern, das Anamnesegespräch bereits in der Nähe der Box oder auf dem Trail / Paddock zu führen. Das verschafft einem die Möglichkeit, das Pferd schon mal „aus dem Augenwinkel“ zu beobachten, wie es sich unbeeinflusst von der Untersuchungssituation verhält. Bestimmte Parameter wie zum Beispiel die Atemfrequenz können hier oft besser beurteilt werden als wenn das Pferd am Anbinder steht und evtl. schon von der Untersuchungssituation verunsichert ist. Außerdem bietet ein Gang in den Stall immer die Chance, potentielle Hustenauslöser in der Haltung genauer unter die Lupe zu nehmen.

2.1. Allgemeinuntersuchung

Die allgemeine Untersuchung umfasst zunächst eine Beurteilung des Allgemeinzustandes. Dazu zählen zum Beispiel das Verhalten des Pferdes oder der Ernährungszustand. Außerdem werden Körpertemperatur, Puls und Atemfrequenz gemessen, die Schleimhäute angeschaut, Nasenausfluss beurteilt und die Lymphknoten abgetastet. Während Fieber und geschwollene Lymphknoten auf ein akutes Infektgeschehen hinweisen könnten, gibt die Farbe der Schleimhaut unter anderem Aufschluss über Kreislaufzustand und eventuellen Sauerstoffmangel.

Ein weiteres Augenmerk liegt auf dem Atmungstyp. Beim gesunden Pferd sollten Brust- und Bauchbereich an der normalen Atembewegung beteiligt sein. Ein Pferd, dass vermehrt in den Bauch zu atmen scheint und schlechtestenfalls beim Ausatmen noch eine Art Bauchpresse zeigt, ist hochverdächtig für eine gravierendere Atemwegserkrankung.

2.2. Eingehende Untersuchung der Atemwege

Nach der Allgemeinuntersuchung folgt die Untersuchung der eigentlichen Atmungsorgane. Die Auskultation, also das Abhören, von Lunge und Luftröhre ist ein wichtiger Teil davon. Hier können abnormale Atemgeräusche wie Rasseln, Knistern oder das sogenannte Giemen auffallen, die auf Schleimansammlungen oder Engstellen in den Atemwegen hinweisen. Leider tritt nicht bei jeder tiefen Atemwegserkrankung immer ein eindeutiges Atemgeräusch auf – wenn diese Untersuchung negativ ist, hat das also nur begrenzte Aussagekraft. Übrigens – wenn ich schon mal dabei bin, höre ich auch grundsätzlich nochmal auf’s Herz, um Husten als Folge einer Herzerkrankung auszuschließen.

Nach der Auskultation teste ich, ob sich Husten durch Druck auf den Kehlkopf auslösen lässt. Außerdem schicke ich fragliche Fälle in eine kleine Sporteinheit – oft sind Atemgeräusche nach Belastung deutlicher und fallen dann erst auf. Auch die Frage, wie schnell sich das Pferd nach der Belastung beruhigt und seine normale Atemfrequenz wieder erreicht, gibt Aufschluss über den gesundheitlichen Zustand.

Neben dem Abhören in Ruhe und nach Belastung taste ich den Brustkorb ab, um druckempfindliche Bereiche, zum Beispiel durch Verletzungen, festzustellen. Außerdem hilft mir eine Perkussion, also das „Abklopfen“ des Brustkorbes von außen, die Größe der Lunge einzuschätzen. Das kann in sofern hilfreich sein, als dass zum Beispiel eine vergrößerte Lunge auf ein chronisches Geschehen hinweisen kann, bei dem der Körper schon länger eine Funktionseinschränkung kompensiert.

3. Spezifische diagnostische Verfahren

Es kommt häufig vor, dass die klinische Diagnostik nicht ausreicht, um eine vollständige Diagnose zu stellen. Im nächsten Schritt erfolgen daher spezifischere Diagnoseverfahren wie Endoskopie, Laboruntersuchungen oder Bildgebung.

3.1. Endoskopie

Das Endoskop ist ein wunderbares diagnostisches Werkzeug, dass es uns ermöglicht, direkt einen Blick in die Atemwege zu werfen. Es handelt sich um eine Art flexiblen Schlauch mit Kamera, der durch die Nase in die Luftröhre und die Bronchien eingeführt wird. Von außen ist das Ganze vergleichbar mit einer Nasenschlundsonde, die wir beim Koliker nutzen würden. Die Untersuchung ist recht unspektakulär und wird normalerweise mit einer leichten Sedation vom Patienten entspannt toleriert. Sie kann grundsätzlich im Stall durchgeführt werden, vorausgesetzt der Tierarzt hat die mobile Ausrüstung zur Hand.

Die Endoskopie ist besonders nützlich, um

  • Schleimansammlungen zu identifizieren und zu beproben, um z.B. einen equinen Asthmatiker sicher zu diagnostizieren
  • Anatomische Anomalien zu erkennen, z.B. eine Larynxparese
  • Entzündungen der Schleimhäute zu sehen, die auf chronische Reizungen hinweisen können

Häufig wird eine Endoskopie der Atemwege direkt mit einer bronchoalveolären Lavage kombiniert. Dabei wird eine sterile Flüssigkeit in die Atemwege eingebracht und direkt wieder abgesaugt. Die abgesaugte Flüssigkeit enthält Zellen, Mikroorganismen und andere Partikel aus den tiefen Atemwegen und kann im Labor genauer untersucht werden. Diese Untersuchung hilft, um die Art der Entzündung näher zu bestimmen sowie Bakterien oder Pilze zu identifizieren.

3.2. Blutuntersuchungen

Blutuntersuchungen sind ein wichtiges Werkzeug, um systemische Erkrankungen zu erkennen, die mit Husten einhergehen können. Sind die sonstigen Untersuchungsergebnisse noch nicht ausreichend, kann es sich lohnen, Entzündungsmarker, sonstige Organparameter und spezifische Antikörper zu bestimmen. Außerdem bietet eine arterielle Blutgasanalyse die Möglichkeit, die Sauerstoffversorgung im Pferdekörper und somit die verbleibende Lungenfunktion einzuschätzen.

3.3. Bildgebende Verfahren: Röntgen und Ultraschall

In einigen Fällen sind Röntgen oder Ultraschall notwendig, um ein genaues Bild der Lunge zu bekommen. Während Röntgenaufnahmen helfen, strukturelle Veränderungen oder Tumore zu erkennen, wird der Ultraschall genutzt, um Flüssigkeitsansammlungen in der Brusthöhle zu diagnostizieren und zu bewerten. Beide Untersuchungen erfordern leistungsstarke Geräte, die meist eher in Kliniken oder spezialisierten Praxen zu finden sind.

4. Differenzialdiagnosen

Husten kann durch eine Vielzahl an Erkrankungen verursacht werden, die nicht immer einfach zu differenzieren sind. Die anschließende Übersicht umfasst die häufigsten Ursachen. Tumore sind weniger aufgrund ihrer Häufigkeit mit aufgeführt, sondern eher weil ich häufig von Besitzern danach gefragt werde.

4.1. Infektiöse Ursachen

Zu den häufigsten infektiösen Ursachen zählen

  • Herpes: Es gibt verschiedene equine Herpesviren, die neben Atemwegssymptomen auch neurologische Probleme und späte Aborte auslösen können. Eine Impfung ist möglich und insbesondere in Zuchtbeständen empfohlen.
  • Influenza: Equine Influenza ist eine hochansteckende Virusinfektion, die zu Husten, Fieber und Nasenausfluss führt. Eine Impfung ist möglich und für Turnierpferde in Deutschland halbjährlich verpflichtend.
  • Rhodokokkose: Rhodococcus equi ist ein Bakterium, das insbesondere beim Fohlen schwere Atemwegsinfektionen mit Husten auslösen kann.

4.2. Allergien und Umweltfaktoren

Umweltfaktoren sind die häufigsten nicht infektiösen Auslöser von Husten beim Pferd. Allergene wie z.B. Pollen aber auch Schimmel und Staub treten in der Umgebung von Pferden gehäuft auf und können chronische Atemwegserkrankungen aufrecht erhalten. Staubiges oder schimmelbelastetes Futter spielt dabei eine ebenso große Rolle wie staubige Einstreu oder ein schlechtes Stallklima. Neben der schon erwähnten Diagnostik gibt es Allergietests für’s Pferd, die aus dem Blut oder als Hauttest durchgeführt werden können. Der diagnostische Wert ist beim Asthmatiker allerdings so fraglich, dass ich davon üblicherweise abrate. Stattdessen sollte gewissenhaft ein Symptomtagebuch geführt werden, das ggf. nachträglich zu bestimmten Pollenflugzeiten zugeordnet werden kann.

4.3. Tumore

Lungen- und Kehlkopftumore sind selten, sollten aber ausgeschlossen werden, wenn keine andere Erklärung für den Husten vorliegt. Die Diagnostik erfolgt entweder in der Endoskopie oder im Röntgen und wird ggf. durch eine Biopsie, also eine Gewebeprobe, konkretisiert.

4.4. Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems wie z.B. eine Herzinsuffizienz können zu Husten führen. Verdächtige Anzeichen sind Leistungsminderung, Ödeme oder auffällige Herzgeräusche. Eine genaue Ausschlussdiagnostik erfolgt per Herzultraschall.

5. Auf den Zeitpunkt kommt es an

Wie so häufig ist Prävention der beste Schutz. Während die Infektionskrankheiten teilweise durch Impfungen abgewendet werden können, hängt bei den Umweltfaktoren alles an der Haltung. Eine gute Stallhygiene, staubarme Haltungsbedingungen und qualitativ hochwertiges Futter helfen, das Risiko von Atemwegsproblemen signifikant zu reduzieren. Außerdem ist es wichtig, Atemwegsbeschwerden bereits im Ansatz ernst zu nehmen. Das klassische „Anstoßen“ beim ersten Trab mag zwar noch nicht dramatisch wirken, es ist aber oft das erste Anzeichen einer gravierenderen Erkrankung. Bei frühzeitiger Erkennung lassen sich viele Schäden vermeiden, während ein längerer Verlauf irreversible Umbauprozesse und somit bleibende Probleme begünstigt.

Praxisangebot:

Dein Pferd hustet und du bist unsicher, wie es jetzt weiter geht? Für Beratungen – auch online – sowie für Untersuchungen im Großraum Magdeburg / Stendal stehe ich gern zur Verfügung. Um eine bessere Diagnostik auch ohne weite Fahrwege zu ermöglichen, biete ich ab 2025 außerdem endoskopische Untersuchungen / Bronchoskopien im heimischen Stall an.